News Bewegungserhaltende Skoliose-Operation

Anfang März wurden in der Schulthess Klinik zum ersten Mal in der Schweiz zwei Skoliose-Operationen mit einem neuen bewegungserhaltenden Verfahren durchgeführt. Dabei bleibt die Wirbelsäule im Gegensatz zu Operationen mit einer Versteifung flexibler. Die beiden Operationen führte Gastarzt Peter O. Newton, M.D. aus San Diego zusammen mit PD Dr. med. Dezsö J. Jeszenszky, PhD, und Dr. med. Tamás Fekete unserer Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädie und Neurochirurgie durch.

Eine idiopathische Skoliose ist eine Verkrümmung der Wirbelsäule, die sich bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase entwickelt. So auch bei den beiden operierten jungen Patienten, die im März nach dem neuen Verfahren Anterior Vertebral Body Tethering (auch dynamische Skoliosekorrektur genannt) bei uns in der Schulthess Klinik operiert wurden. Genau diese Wachstumsphase macht man sich dabei zunutze. Denn: Es handelt sich um eine flexible Korrektur der Verkrümmung, die über das weitere Wachstum gelenkt wird. Im Gegensatz zur bisherigen Standardoperation werden die betroffenen Wirbel dabei nicht versteift. Stattdessen setzt der Operateur auf der Seite der Wirbelkörper Schrauben ein, die mit einem geflochtenen Kunststoffseil verbunden und gespannt werden. Bereits nach der Operation besteht so eine deutliche Korrektur. Weiter reduziert diese Spannung auf der angebrachten Seite der Wirbelsäule das Wachstum. Nur die unbehandelte Seite wächst weiter, wodurch sie sich während des weiteren Wachstums selbst begradigt. Die Methode funktioniert also wie ein inneres Korsett. Der grosse Vorteil ist, dass die Wirbelsäule dabei weitgehend beweglich bleibt und auch die Bandscheiben weniger in Mitleidenschaft gezogen werden. Zudem ist im Idealfall nur eine einzige Operation nötig. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Operation minimalinvasiv, also nur mit kleinen Schnitten, erfolgt. Dies hat einen geringeren Blutverlust und meist weniger Schmerzen zur Folge.

Die beiden Jugendlichen haben sich gut vom Eingriff erholt und sind drei Monate nach der OP bereits zu den Alltagsaktivitäten zurückgekehrt. Die schnelle Zunahme der Wirbelsäulenkrümmung konnte aufgehalten und sogar bereits eine Besserung erreicht werden.

Nur für wenige Patienten geeignet

Diese OP-Methode ist nur für eine kleine Patientengruppe geeignet. Neben dem Krümmungsgrad der Skoliose spielen vor allem das Alter (ca. 10 bis 12 Jahre) und das zu erwartende Wachstum eine Rolle. Dieses wird anhand eines Röntgenbildes der Hand ermittelt.

Da die OP-Methode noch relativ neu ist und die Zahl geeigneter Patienten klein, fehlt es noch an umfassenden wissenschaftlichen Studien dazu. Die vorhandenen Resultate sind aber vielversprechend.

Röntgenbilder, vor und nach bewegungserhaltender Skoliose-Operation
Röntgenbild vor und nach einer bewegungserhaltenden Skoliose-Operation (Anterior Vertebral Body Tethering). Gut zu sehen die Schrauben, die mit einem geflochtenen Kunststoffseil verbunden und gespannt wurden.

Langjährige Freundschaft und fachlicher Austausch

Peter O. Newton, M.D, und PD Dr. med. Dezsö J. Jeszenszky verbindet eine langjährige Freundschaft und gemeinsame Geschichte. Vor über 20 Jahren haben sie sich beim damals bekanntesten wirbelsäulenchirurgischen Zentrum in Karlsbad Langensteinbach unter der Leitung von Prof. Dr. med. Jürgen Harms kennengelernt. Damals führte Dezsö J. Jeszenszky Peter O. Newton in die Operation von Skoliose-Patienten mit Zugang durch den Brustkorb ein. Der fachliche Austausch und das Bestreben, Skoliose-Patienten möglichst gut zu helfen, hielt gegenseitig über all die Jahre an. 

Von der Operationsmethode durch den Brustkorb war Peter O. Newton sehr begeistert und entwickelte diese in den Folgejahren weiter. Mit der Einführung in die bewegungserhaltende OP-Methode gibt er sein Wissen nun gerne an PD Dr. med. Dezsö J. Jeszenszky und sein Team zurück.

Nur wenige Wirbelsäulenchirurgen auf der Welt operieren mit dieser neuen Methode. Peter Newton ist einer der erfahrensten Ärzte auf dem Gebiet. Viele Jahre hat er geforscht, um diese Operationsmethode auszuarbeiten. Seit über 10 Jahren setzt er sie auch im klinischen Alltag ein. Dezsö J. Jeszenszky schätzt die grosse Erfahrung von Peter Newton, aber auch seine ehrliche Einschätzung gegenüber neuen Behandlungstechniken sehr und hat ihn deshalb in die Schulthess Klinik eingeladen. Die beiden Spezialisten sind sich einig: Mit einem skeptischen Optimismus gilt es genau abzuwägen, welchen Patienten diese neue Methode helfen kann. Das Wohl und die Sicherheit der Patienten haben immer oberster Priorität.

Dr. med. Tamás Fekete, Peter O. Newton, M.D, PD Dr. med. Dezsö J. Jeszenszky, PhD
v.l.n.r. Dr. med. Tamás Fekete, Peter O. Newton, M.D, PD Dr. med. Dezsö J. Jeszenszky, PhD