Manuelle Medizin bei Rückenschmerzen
Rückenschmerzen gehören zum Praxisalltag. Allzu leicht lässt da die Wachsamkeit nach, wird ein schwerwiegendes Problem als banal verkannt. Die Manuelle Medizin erweitert hier das diagnostische und therapeutische Repertoire. Die Gefahr einer Fehldiagnose kann dadurch minimiert werden.
Der Fall von Frau R. aus Zürich bestätigt die Gefahr einer Fehldiagnose. Nach einem Sturz auf das Gesäss konnte sie sich kaum noch bewegen. Die pensionierte Patientin wies sich selber in eine Notfallstation ein. Nach einer Röntgenuntersuchung des Beckens wurde die Diagnose eines kleinen sturzbedingten Knochenrisses gestellt. Der Patientin wurden schmerzstillende Medikamente verschrieben, und es wurde darauf hingewiesen, dass die Schmerzen binnen zweier Wochen abklingen.
Nach drei Wochen stärkster Schmerzen meldete der Ehemann die Patientin bei uns an. In einem ersten Schritt wurden die Muskeln, Sehnen und Gelenke sorgfältig abgetastet. Die Beckenuntersuchung gestaltete sich schmerzfrei. Zum Erstaunen der Patientin zeigten sich sogenannte funktionsgestörte Wirbelgelenke sowie verspannte Muskeln im oberen Bereich der Lendenwirbelsäule, also an einem Ort des Körpers, an dem sie gar keinen Schmerz gespürt hatte. Durch diese Erkenntnis erweiterte man die Diagnostik um eine einfache Röntgenuntersuchung des Rückens. Die Befunde waren eindeutig, die Diagnose klar: Es handelte sich um einen gebrochenen ersten Lendenwirbel, der seinerseits Schmerzausstrahlungen bis ins Becken verursachte (Abb. 1).
Die Behandlung musste der Diagnose angepasst werden
- Sofortige Ruhigstellung
- Einsetzen stärkerer Schmerzmedikamente
- Einleiten einer gezielten Physiotherapie
- Durchführung einer Knochendichtemessung zum Ausschluss einer Osteoporose
Biomechanische und anatomische Erläuterungen
Der Übergang zwischen Lenden- und Brustwirbelsäule ist eine biomechanische Schwachstelle. Diese Region ist äusseren Belastungen besonders stark ausgesetzt, weshalb die Wirbel des sogenannten thorakolumbalen Übergangs die bei Frakturen am häufigsten betroffenen Wirbelkörper darstellen. Der hautversorgende Anteil der dazugehörigen Nerven versorgt die Bezirke der unteren Lendenwirbelsäule, des oberen Gesässes sowie der Leiste und der seitlichen Hüftgegend (Abb. 2).
Die erwähnten anatomischen Zusammenhänge erklären somit Beckenschmerzen bei einem Wirbelkörperbruch wie im oberen Fall beschrieben.
Diagnose als Vorbedingung für die Therapie
Diagnose und Therapie erfolgen aus der angemessenen Einschätzung der Situation. Die zentrale Frage, die den Manualmediziner beschäftigt, lautet: Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen angegebenem Symptom, klinischer Untersuchung und erhobenem Röntgenbefund ? Ist diese Verknüpfung gegeben, steht einer adäquaten Therapie nichts mehr im Weg.