Die Beinverlängerung mit einem magnetgetriebenen Marknagel

Zahlreiche Menschen leiden unter unterschiedlichen Beinlängen bzw. an einer behandlungsdürftigen Beinlängendifferenz. Wenn die Differenz ein gewisses Ausmass überschreitet, lässt sie sich häufig nicht mehr ausreichend mit konservativen Massnahmen behandeln. In diesem Fall kommen chirurgische beinverlängernde Massnahmen zum Einsatz.

Bei operativen Eingriffen zur Behebung von Beinlängendifferenzen kommt oftmals ein «Fixateur externe» zum Einsatz. Es handelt sich dabei um ein durch die Haut von aussen befestigtes Haltesystem, mit welchem das kürzere Bein verlängert wird. Neu setzen wir bei geeigneten Voraussetzungen nun auch den magnetgetriebenen Marknagel «Typ Precise» ein. Zur Verfügung stehen Marknägel für den Ober- und Unterschenkel in unterschiedlichen Durchmessern und Längen. Prinzipiell erlaubt der Nagel eine Knochenverlängerung bis zu 8 cm. Nach unseren ersten Erfahrungen ist diese Art der Beinverlängerung für den Patienten und den betreuenden Arzt ein unkompliziertes und sehr gut funktionierendes System.

Fallbeispiel

Ein 14-jähriger junger Mann leidet seit Geburt an einem übermässigen Wachstum des rechten Beines. Nach Beendigung der Wachstumsphase beträgt seine Beinlängendifferenz 4 cm und betrifft hauptsächlich den linken Oberschenkel (Abb. 1). Eine Röntgenanalyse zeigt korrekte Achsenverhältnisse des Beines und einen ausreichend weiten Markkanal des Oberschenkelknochens, so dass eine Beinverlängerung mit dem intramedullären, magnetgetriebenen Marknagel durchgeführt werden kann.

Beinlängendifferenz
1 Vor der Operation besteht eine Beinlängendifferenz von 4 cm. Die Differenz liegt anteilmässig hauptsächlich im Oberschenkelbereich

Im Rahmen einer etwa zweistündigen Operation wird der Marknagel über einen kleinen Zugang oberhalb des Hüftgelenks in den Oberschenkelknochen implantiert (Abb. 2). Dabei wird der Knochen im oberen Bereich des Femurschafts über einen 1 cm langen Schnitt minimal-invasiv durchtrennt. Der Markraum des Knochens muss etwa 2 mm weiter aufgebohrt werden, als die Breite des gewählten Distraktionsnagels misst, um eine problemlose Implantation und Verlängerung des Nagels zu ermöglichen. Am Ende der Operation wird eine sogenannte Probedistraktion von 1 mm durchgeführt, um die Funktion des Nagels zu prüfen.

Die Narben sind klein
2 Die Narben sind klein. Die oberste Narbe stammt von der Nagelimplantation. Die Knochendurchtrennung erfolgt über einen etwa 1 cm langen Zugang

Nach einer Woche beginnt der Patient unter unserer Anleitung mit der Magnetspule, die er an einem bestimmten und markierten Ort am Oberschenkel auflegen muss, seinen Oberschenkel pro Tag um 1 mm, aufgeteilt in zwei Einzelschritte von 0,5 mm, zu verlängern (Abb. 3). Dabei wird über einen starken, rotierenden Magnet im aufgesetzten Steuergerät der Verlängerungsvorgang im Marknagel in Gang gesetzt. Die Magnetspule in der Fernsteuerung erzeugt eine Rotation des Magnets im Nagel und setzt den Verlängerungsprozess über ein Spindelsystem in Gang (Abb. 4). Die Verlängerungsgeschwindigkeit kann je nach Bedarf am Steuergerät eingestellt werden: Bei schlechter Knochenneubildung kann die Distraktionsgeschwindigkeit verringert oder bei zu schneller Knochenheilung beschleunigt werden. Selbst ein Verkürzen des Nagels ist prinzipiell möglich.

Fernsteuerung
3 Die Fernsteuerung wird auf eine definierte Position am Oberschenkel aufgelegt und der Verlängerungsprozess in Gang gesetzt
Verlängerungssystem im Nagel
4 Das Verlängerungssystem im Nagel. Der solide Anteil oben ist der sich drehende Magnet. Darunter erkennt man das dreiteilige Spindelsystem, das die eigentliche Verlängerung bewirkt

Nach 40 problemlosen Tagen ist das Verlängerungsziel bei unserem Patienten erreicht (Abb. 5). Schmerzen verspürte der Patient während der Verlängerung nicht. Entsprechend waren Schmerzmittel ab dem 5. Tag nach der Operation nicht mehr notwendig. Es ist jedoch wichtig, dass der Patient das Bein nur teilbelastet, damit das Implantat keinen Schaden nimmt, bis der Knochen in ausreichendem Mass wieder nachgewachsen ist.

Verlängerung
5 Die Verlängerung verläuft problemlos. In allen Bereichen entsteht während der Verlängerung nun neuer Knochen, der sich zunehmend verfestigt

Bei geeigneten Voraussetzungen ist eine Verlängerung mit dem vorgestellten Marknagel ein für den Patienten im Vergleich zum «Fixateur externe» deutlich angenehmeres Therapieverfahren. Das Verfahren kann ab einer Beinlängendifferenz von etwa 2,5 cm angewendet werden und lässt Verlängerungen bis zu 8 cm zu. Eine begleitende, höhergradige Deformität des Knochens oder noch weit geöffnete Wachstumsfugen beim Kind und Jugendlichen können die Anwendbarkeit aber einschränken und den computerassistierten Taylor Spatial Frame (Fixateur externe) notwendig machen.

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