Plötzlich einseitige Nackenschmerzen mit Ausstrahlung ins Ohr und bis zur Schulter

Eine 69-jährige Frau berichtet, dass ohne ein vorausgegangenes Trauma plötzlich permanente, elektrisierende linksseitige Nackenschmerzen aufgetreten seien, die in den Hinterkopf, das linke Ohr und bis zur linken Schulter einstrahlen. Die Berührung der Haut in dieser Region löst bereits Schmerzen aus. Die Schmerzen bestehen unabhängig von Bewegungen des Kopfes und des Nackens. Sie ist sonst gesund und nimmt keine Medikamente ein. Sie hält sich gerne in der freien Natur auf und geht regelmässig wandern.

Klinische Untersuchung

Die neurologische Untersuchung ist unauffällig, bis auf eine Überempfindlichkeit der Haut bei Berührung im Bereich des linken Nacken-/Hinterkopfes-/und Schulterdaches. Das betroffene Hautareal entspricht dem Versorgungsgebiet bestimmter Rückenmarksnerven (Nervenwurzeln C2, 3 und 4 links)

Weitere Abklärungen

Zum Ausschluss eines ausgedehnten Bandscheibenvorfalls im Bereich des Nackens wird ein MRI der Halswirbelsäule durchgeführt. Hierbei zeigt sich aber kein Bandscheibenvorfall und keine mechanische Einklemmung der Nervenwurzeln des Halses, sondern ein normaler Befund. Im daraufhin durchgeführten Labor aus dem Blut der Patientin zeigt sich, dass eine frische Infektion mit dem Bakterium Borrelia Burgdorferi stattgefunden hat. Um zu erkennen, ob die Nackenschmerzen wirklich mit der Infektion zusammenhängen, d. h. das Nervensystem mit dem Erreger infiziert ist, wird eine Analyse des Nervenwassers (Liquor) durchgeführt. Dort zeigen sich neben einer Entzündungsreaktion auch spezifische Antikörper gegen das Bakterium B. Burgdorferi (B. Burgdorferi IgG L/S-Index >2), so dass die Diagnose einer Nervenwurzelentzündung (Polyradikulitis) bei Neuroborreliose gestellt werden kann.

Therapie

Die Patientin erhält eine zweiwöchige Therapie mit dem Antibiotikum Doxycyclin (2xtgl. 100mg) und zusätzlich ein Medikament gegen Nervenschmerzen (Pregabalin bis 150mg/Tag). 10 Tage nach Beginn des Antibiotikums berichtet die Patientin, bereits nahezu beschwerdefrei zu sein. Das Medikament gegen Nervenschmerzen wird innerhalb von 2 Wochen ausgeschlichen, ohne dass Schmerzen wiederkommen.

Die Borreliose ist eine durch Zecken übertragene Infektionskrankheit. Der Zeckenstich muss nicht unbedingt bemerkt werden. Es muss sich auch nicht zwingend ein Hautausschlag (bekannt als Exanthem «Erythema migrans») bilden. Begleitend können ein Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Muskelschmerzen, leichtes Fieber, Nachtschweiss und eine Gewichtsabnahme auftreten.  Die Wahrscheinlichkeit nach einem Zeckenstich an einer Borreliose zu erkranken wird in Hochrisikogebieten auf ca. 3-5% geschätzt. Nur 3-15% aller erkrankten Patienten zeigen – wie im genannten Fall – eine Beteiligung des Nervensystems (Neuroborreliose). Ausserhalb des Nervensystems kann es zu Gelenkentzündungen, Herzmuskelentzündungen und verschiedenen Hautsymptomen kommen.

Der Nachweis eines stattgefundenen Kontaktes mit dem Borreliose-Bakterium im Blut allein bedeutet dabei noch nicht, dass man an einer (Neuro-)Borreliose erkrankt ist.

Die häufigste Manifestation der Neuroborreliose ist eine Entzündung von Hirnhäuten, Hirnnerven und Nervenwurzeln (Bannwarth-Syndrom). Seltener kommt es zu Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) oder des Rückenmarks (Myelitis). Noch seltener kann es zu einer zerebralen Blutgefässentzündung kommen (Vaskulitis). Eine Beteiligung des peripheren Nervensystems, z. B. der Bein-/Armnerven (ausserhalb von Gehirn und Rückenmark) im Sinne einer «Polyneuropathie» ist ebenfalls sehr selten, diese tritt dann aber meist im Rahmen einer Hautbeteiligung auf.

Für die Diagnose einer «gesicherten» Neuroborreliose sind folgende Kriterien nötig:

  • typische, für eine Neuroborreliose vorliegende Symptome
  • eine messbare Entzündungsreaktion im Nervenwasser (Liquor)
  • eine borrelienspezifische Antikörper-Produktion im Nervenwasser (positiver ASI für IgG und/oder IgM) oder positiver Erregernachweis selbst (PCR, Kultur), letzterer gelingt selten.

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